Die Magnetosphäre |
Was sind diese "magnetischen Stürme", die ab und zu das Magnetfeld der Erde stören? Während Veränderungen des durch den Dynamoprozeß produzierten "inneren" Magnetfeldanteils nur in geologischen Zeiträumen stattfinden, sind magnetische Störungen gewöhnlich nur von kurzer Dauer. Sie erstrecken sich über Stunden oder Tage - und im Fall von magnetischen Effekten des Polarlichts sind sie sogar noch kürzer. Was immer die Stürme hervorruft, hat seine Ursache außerhalb der Erde - doch was ist es? Birkelands TerrellaDie Verbindung zwischen magnetischen Stürmen und dem Zyklus der Sonnenflecken wurde bereits erwähnt. Große Stürme treten häufiger (wenn auch nicht ausschließlich) in Jahren großer Aktivität der Sonnenflecken auf. Diese Stürme führen oftmals auch zu Polarlicht an ungewöhnlichen Orten, weitab der magnetischen Pole, z.B. in Mitteleuropa und den Vereinigten Staaten.
Kristian Birkeland, ein norwegischer Physiker griff 1895 eine Idee Gilberts auf und stellte eine Terrella - eine die Erde symbolisierende magnetische Kugel - in eine gläserne Vakuumkammer. Dann zielte er mit einem Elektronenstrahl (ganz ähnlich dem in einer Fernsehbildröhre) auf die Terrella - und beobachtete die Bahn der Elektronen anhand der Leuchtspur, die sie in der Restluft der Kammer hinterließen. Das Leuchten folgte den magnetischen Feldlinien (Kraftlinien) und lief nahe der Pole der Terrella zusammen. War das ein Schlüssel zu der Frage, warum Polarlicht gewöhnlich nur in einem begrenzten Abstand von den magnetischen Polen sichtbar ist? In der Tat war es das. Der französische Mathematiker Henri Poincaré -- und 50 Jahre später Hannes Alfvén in Schweden in größerer Ausführlichkeit -- analysierten die Bewegung solcher Elektronen und schlußfolgerten, daß diese von den magnetischen Feldlinien geführt wurden, wie Perlen, die auf einer Schnur aufgefädelt waren. Sein Terrella-Experiment führte Birkeland zu der Vermutung, das Polarlicht würde von Elektronen hervorgerufen, die durch das Erdmagnetfeld auf die Polkappen der Erde hingeführt würden und beim Auftreffen auf die obere Atmosphäre ein Leuchten hervorriefen. Wie sich herausstellen sollte, war die Sonne nicht die Quelle, doch der Rest der Vermutung kam der Wahrheit schon recht nahe. Der RingstromUngeklärt waren weiterhin die Veränderungen des Erdmagnetfeldes während der magnetischen Stürme. Während solcher Ereignisse verringerte sich das Feld nahe dem Äquator etwa um 0.5-1% - und zwar weltumspannend. Irgendwie deutete dies darauf hin, daß während der Stürme oberhalb des Äquators ein gewaltiger Strom die Erde umkreiste. Wissenschaftler gaben ihm den Namen "Ringstrom" - doch sie wußten nicht im geringsten, was es damit auf sich hatte, oder z.B. in welcher Höher er floß.Alfvén hatte eine Theorie für die Entstehung dieses Stroms. Geladene Teilchen wie Ionen und Elektronen wurden durch magnetische Feldlinien nicht nur geführt, sondern während sie an diesen entlang glitten (genauer gesagt, während sie die Feldlinien auf spiralförmigen Bahnen umkreisten), wurden sie zudem von Regionen mit stärkeren Feldern abgestoßen.
Die magnetischen Feldlinien der Erde erstrecken sich genau wie die eines Stabmagneten von der Umgebung eines Pols zu der des anderen. Die magnetische Kraft ist auf halbem Wege zwischen diesen "Fußpunkten" am geringsten, genau dort, wo die Feldlinien den größten Abstand zur Erde haben. Elektronen und Ionen können in diesem schwachen Feld eingefangen werden und prallen anschließend zwischen den Polarregionen hin und her, weil sie jedesmal reflektiert werden, wenn sie versuchen in das stärkere Feld nahe der Erdoberfläche einzudringen. Man kann außerdem zeigen, daß die Teilchen durch einen sekundären Prozeß nicht exakt an eine Feldlinie gebunden bleiben, sondern langsam von einer Feldlinien zu einer benachbarten überwechseln, wodurch sie langsam den Erdball umkreisen. Von einer fernen Position auf den Nordpol geschaut, bewegen sich positive Ionen im Uhrzeigersinn und die negativen Elektronen entgegengesetzt. Aber wenn sich positive und negative Ladungsträger in unterschiedliche Richtungen bewegen, so entspricht dieses einem elektrischen Strom. Genau diese Theorie schlug S.F. Singer 1957 zur Erklärung des Ringstromes während magnetischer Stürme vor. Strahlungsgürtel1958 beobachteten künstliche Satelliten solche eingefangenen Teilchen in gewissen Bereichen, die man "Strahlungsgürtel" nannte. Wie sich herausstellte, existierten sie nicht nur während magnetischer Stürme, sondern waren permanente Strukturen der magnetischen Umgebung der Erde. 1959 wurde der vom Erdmagnetfeld geprägte Raum durch Tom Gold von der Cornell University auf "Magnetosphäre" getauft. In ihr fand man zwei verschiedene Strahlungsgürtel. Ein innerer, kleiner, aber sehr intensiver Protonengürtel erwies sich als Nebenprodukt der kosmischen Strahlung, d.h. der diffusen Hintergrundstrahlung hochenergetischer Teilchen, die unsere Galaxie auszufüllen scheint. Träger des Ringstroms war allerdings der "äußere Gürtel", ein Bereich von Ionen und Elektronen mit geringerer Energie, aber großer Anzahl.
Die Energiequelle des Ringstromes und aller damit verbundenen Phänomene
war - so stellte sich heraus - der Sonnenwind - ein beständiger
Strom von Ionen und Elektronen, die aus der Sonnenoberfläche, der
Millionen Grad heißen Korona, nach allen Richtungen ausgeschleudert
werden. Der Sonnenwind komprimiert die irdischen Magnetfeldlinien
auf der Tagseite und beschränkt sie auf einen gerundeten Hohlkörper.
Auf der gegenüber liegenden Nachseite dehnt der gleiche Sonnenwind
die Feldlinien zu einem langen "Magnetschweif" wodurch die Höhlung
zu einem langgestreckten Zylinder deformiert wird.
Im Magnetschweif gibt es viele aktive Phänomene und Störungen der Magnetosphäre - die kurz unter dem Namen "space weather" - Weltraumwetter - zusammengefaßt werden. Von besonderem Interesse ist die sogenannte Plasmaschicht, eine dicke Schicht im Raum schwacher magnetischer Felder erstreckt, welcher sandwichartig zwischen zwei Bündeln magnetischer Feldlinien eingebettet ist. Ein Bündel nördlich des Äquators besteht aus Feldlinien, die in Richtung Nordpol verlaufen, das andere Bündel südlich des Äquators verläuft genau spiegelbildlich, nur daß die Feldlinien vom Südpol weg verlaufen. Aus der Plasmaschicht stammen nicht nur die Partikel des Ringstromes, sondern von dort aus schubsen magnetische Teilstürme auch Teilchen erdwärts und rufen hell leuchtende Polarlichter hervor. Das PolarlichtIn Orten wie Fairbanks, Alaska oder Tromsö, Norwegen, ist Polarlicht nichts ungewöhnliches. Seine am Nachthimmel hell leuchtenden Bögen scheinen mit starken elektrischen Strömen verbunden zu sein, die Erde und Weltall miteinander verbinden. Anders als der Ringstrom werden diese Ströme durch eine Spannungsdifferenz angetrieben (wie Ströme im Haushalt, z.B. einer Taschenlampe). Im Weltall fließen diese Ströme am einfachsten entlang magnetischer Feldlinien, denn die den Strom bildenden Teilchen Teilchen (hauptsächlich Elektronen), bleiben bevorzugt an einzelnen Feldlinien "kleben". Einige fließen aus dem All zur Erde, andere in umgekehrter Richtung, und in der Nähe der Erde wird ihr Stromkreis durch eine elektrisch gut leitfähige Schicht in der oberen Atmosphäre geschlossen - die E-Schicht der Ionosphäre. Sie befindet sich etwa in einer Höhe von 125 km über der Erde. Die Ströme erreichen jedoch die Erdoberfläche nicht, da die Luft in geringeren Höhen ein guter Isolator ist.
Das Polarlicht wird durch Elektronen erzeugt, die sich auf ihrem Strompfad erdwärts bewegen. Sie werden durch die treibende Spannung beschleunigt und prallen auf Sauerstoff- und Stickstoff-Atome wenn sie in dichtere Atmosphärenschichten gelangen. Durch den Aufprall werden die Atome zum Leuchten angeregt, dessen Färbung dem Spektrum des jeweiligen Elements entspricht. Das typische grünliche Leuchten des Polarlichts rührt vom Sauerstoff her. Nächste Station: Magnetismus der Planeten
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Autor und Kurator: Dr. David P. Stern
E-mail an Dr.Stern: earthmag("at" symbol)phy6.org
Deutsche Bearbeitung: Sven Friedel, Universität Leipzig
Letzte Änderung 17. September 2001